Campingfreunde

Wer mit einem gasfreien Wohnwagen glücklich werden kann - und wer nicht

Caravans mit vollelektrischer Technik liegen im Trend, der Branchenriese Knaus Tabbert liefert inzwischen jeden dritten Wohnwagen ohne Gasanlage aus. Leichte Bedienbarkeit und Platzersparnis können wichtige Argumente sein, doch für alle Lebenslagen eignen sich die gasfreien Caravans noch nicht.

Die Idee ist zu gut, um sie nicht zu Ende zu denken. Was wäre, wenn die Bordtechnik im Wohnwagen so einfach und intuitiv bedienbar wäre wie zu Hause? Gut, die alten Haudegen werden jetzt die Augenbrauen hochziehen, weil die erweiterte Fingerfertigkeit aus traditioneller Sicht zum Campingurlaub gehört wie die Raviolidose im Küchenschrank. Aber viele Neueinsteiger sehen das anders. Sie nervt besonders das Hantieren mit den Gasflaschen und der Gasanlage im Wohnwagen, so haben es die Marketing-Experten von Knaus Tabbert ermittelt. Und deshalb funktioniert die Bordtechnik in jedem dritten Caravan der Konzernmarken Knaus und Weinsberg inzwischen voll elektrisch.

Der Deichselkasten wird zum Gepäckraum

Wenn es nach Knaus-Tabbert-Vorstand Gerd Adamietzki geht, soll der Anteil weiter steigen: „Aus meiner Sicht ist die Frage nicht, ob sich gasfreie Fahrzeuge im Markt durchsetzen werden“, sagt er, „sondern nur wann“. Tatsächlich liegen die Vorteile auf der Hand: Wer im vollelektrischen Caravan wohnt, schleppt keine Elf-Kilo-Flaschen mehr über den Camping- oder Baumarkt-Parkplatz, muss keine Füllstände mehr checken und braucht im Ausland kein Gasadapter-Set, kann die Gasprüfung vergessen und muss nie mehr Mitreisende beruhigen, die eine diffuse Furcht vor möglichen Undichtigkeiten haben. Alles an Bord lässt sie ohne Nachdenken bedienen, zudem ist im Deichselkasten jetzt Platz für Gepäck statt für Flüssiggas-Flaschen. Und ein bisschen leichter als ein Caravan mit Gasanlage ist so ein vollelektrischer Wohnwagen auch, was im Zeitalter der immer übergewichtigeren Zugfahrzeuge ja durchaus eine Rolle spielen kann. Bis hierher klingt alles nach perfekter Zukunftslösung. Aber ein paar konzeptbedingte Nachteile gibt es auch. Es lohnt sich, sie vor der Kaufentscheidung zu kennen.

Werfen wir mal einen Blick auf die Bordtechnik eines Knaus Südwind mit E-Power-Ausstattung. Statt der üblichen Truma-Gasheizung ist in seiner Sitztruhe ein elektrisches Kompressor-Klimagerät von Dometic montiert, das auf Knopfdruck kühlen und heizen kann. Den gewohnten Gaskocher ersetzt ein 230-Volt-Induktionskochfeld und statt des Absorber-Kühlschranks ist ein Kompressorgerät eingebaut. Ohne Landstrom lässt sich die komplette Technik nicht betreiben, Freistehen oder mal eben Kaffeekochen beim Zwischenstopp fallen deshalb flach. Und bei der Wahl des Campingplatzes lohnt es sich, nach der Absicherung der Steckdosen zu fragen, denn 16 Ampere sollten es schon sein, damit nicht gleich nach dem Anstöpseln des E-Caravans und dem Einschalten der Heizung die Sicherung fliegt. Zwar lässt sich die Stromaufnahme des Wohnwagens per Schalter auf 6 und 10 Ampere reduzieren, doch schaltet das System dann erst mal den Ausgang für optionale Elektrogeräte ab, anschließend die Steckdosen im Wohnbereich, das Klimagerät und zuletzt das Kochfeld. Licht, Kühlschrank und Wasserpumpe bleiben laut Knaus Tabbert am Netz, aber das rettet den Familienfrieden an Bord dann auch nicht mehr.

Notfall-Akkus für den Zwischenstopp

Für die kurzfristige Autarkie hat Knaus Tabbert seit kurzem die One-Night-Stand-Option im Programm. Dahinter steckt eine Dockingstation von Einhell, deren 18-Volt-Lithium-Ionen-Akku übergangsweise das Innenraum-Licht, die Wasserpumpe und den Kühlschrank mit Strom versorgt. Die Akkus sind übrigens dieselben wie im Staubsauger oder Akkuschrauber des Werkzeuggeräte-Herstellers. Und wer ein E-Auto fährt, hat es noch einfacher: Mit einem Vehicle-to-device-Adapter kann er seinen Zugwagen anzapfen.

Was im gasfreien Wohnwagen bislang gar nicht funktioniert, ist gleichzeitiges Heizen und Kochen. Das liegt nicht am Caravan, sondern an der Infrastruktur: Klimagerät und Herd brauchen zusammen mehr Strom, als die übliche Haushaltssteckdose liefern kann. Mehr als 3680 Watt sind nicht drin, doch schon die Heizfunktion des Klimageräts frisst bis zu 3500 Watt, rein rechnerisch bleiben bei 16 Ampere Absicherung also nur 180 Watt für andere Verbraucher übrig.  Das lässt sich verschmerzen, wie die Knaus-Tabbert-Entwickler glauben, schließlich werde unterwegs ja nicht stundenlang gekocht. Und außerdem seien 80 Prozent aller Caravaner ohnehin nur zwischen Ostern und Oktober unterwegs, und die wünschen sich keine Heizung, sondern eher eine Klimaanlage. Die braucht mit 2700 Watt etwas weniger Energie, aber immer noch mehr, als eine Steckdose mit 10-Ampere-Absicherung liefern kann.

Im Winter wird’s nicht richtig warm

Fürs Wintercamping sind gasfreie Wohnwagen schon deshalb nicht geeignet, weil das Klimagerät bei Minusgraden nicht genug Wärme liefert. Das Prädikat „Wintertauglich“ tragen die E-Power-Versionen deshalb nicht. Doch auch im Sommermodus stören sich manche Bewohner am sonoren Brummgeräusch der Wärmepumpe. Die Tester des Stuttgarter Fachblatts „Caravaning“ rieten den Käufern des Knaus Sport 500 QDK E-Power im März 2022 sogar dazu, „im Sommer draußen zu warten, bis innen die Wunschtemperatur erreicht ist“. Zudem sei das Geräusch so laut, dass es auf Campingplätzen mit engen Parzellen die Nachbarn stören könne. Inzwischen arbeiten die Klimageräte allerdings leiser, wie Gerd Adamietzki sagt: „In der neuesten Generation haben wir uns der Akustik nochmal besonders gründlich angenommen. Und für die weitere Zukunft arbeiten wir an völlig geräuschlosen Systemen“.

Echte Konkurrenz hat Knaus Tabbert auf dem Markt der gasfreien Caravans übrigens noch nicht. Zwar kommt auch der neue Hobby Beachy ohne Gasanlage aus, sein Hersteller versteht ihn jedoch eher als minimalistisch-cooles Wohngehäuse, weshalb es ihn auch gegen Aufpreis weder mit Herd noch Heizung gibt. Ein Prototyp scheint dagegen die 2019 vorgestellte Gaslos-Glücklich-Studie der Hymer-Marke LMC zu bleiben: Das Einzelstück auf Basis des Musica-470-Caravans sorgte auf dem Caravan Salon in Düsseldorf mit einer sogenannten „Flächenheizung“ für Aufsehen. Dahinter verbergen sich eingepresste Elektro-Heizmatten in den Möbelfronten – eine elegante, im Reparaturfall aber sicher auch einigermaßen komplexe Konstruktion.

Gasfreie Womos: selten wie Schnee im Mai

In den Nischen des boomenden Marktes parken aktuell auch die wenigen Wohnmobile mit vollelektrischer Bordtechnik. Das ist verständlich, denn wer den häufigen Wechsel der Gasflaschen scheut, bestellt sich ein Wohnmobil mit Dieselheizung und nutzt Propangas nur zum Kochen. Völlig ohne Gasanlage kommen einige Modelle der jungen deutsch-spanischen Marke La Marca aus: Stattdessen baut der Hersteller neben der Dieselheizung einen 200-Ah-Lithium-Ionen-Akku und eine starke Solaranlage ein. Auf ein ähnliches Konzept setzt VR Motorhomes im bayrischen Freilassing, eine Kastenwagen-Manufaktur, die ihre MAN TGE und Mercedes Sprinter mit geräumigen Heckgaragen für Motorradfahrer und Mountainbiker ausstattet. Auf dem Caravan Salon 2019 stand der Roller Team Zefiro 265 TL Gas Free mit Diesel-Stromgenerator, Dieselheizung und Solarmodul, doch inzwischen ist der Einzelgänger wieder aus dem Programm des italienischen Herstellers verschwunden.

Bei Knaus Tabbert in Jandelsbrunn schließen sie dennoch nicht aus, auch gasfreie Reisemobile zu bauen. Gerd Adamietzki: „Wir arbeiten bei allen Innovationen konzeptübergreifend und denken die Bandbreite unserer Fahrzeuge gesamtheitlich. Lassen sie sich überraschen.“

Fazit

Nicht jeder Camper möchte sich tief in die Technik seines Caravans versenken. Deshalb ist es auch okay, im Urlaub keine Lust auf Linksgewinde, das Checken des Gas-Füllstands und das Hin- und Herwuchten schwerer Gasflaschen zu haben. Ein Wohnwagen ohne Gasanlage ist eine elegante Lösung – allerdings nur für Sommercamper, die Campingplätze mit neuzeitlicher Elektro-Infrastruktur bevorzugen. Die integrierte Klimaanlage kann trotz des hohen Stromverbrauchs ein starkes Argument sein, während die Gewichtseinsparung mit rund 50 Kilogramm noch eher bescheiden ausfällt. Und auch der Preisvorteil lässt sich aktuell vernachlässigen: Ein Knaus-Caravan mit E-Ausstattung ist nur 300 Euro billiger als das Gegenstück mit Gasanlage.

Verfasst von Christian S. am

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